Provenienzforschung

Provenienz (von lat. provenire „herkommen“) bezeichnet allgemein die Herkunft einer Person oder Sache. Der Begriff bezeichnet auch die Herkunft von Kunstwerken und Kulturgütern (archäologischen wie ethnographischen). Deren Erforschung widmet sich die Provenienzforschung.

Die Provenienzforschung ist heute integraler Bestandteil der Museumsarbeit. Sie rekonstruiert die Herkunft und Sammlungsgeschichte eines Objektes und ermittelt frühere Eigentums- und Besitzketten, um mögliche Zusammenhänge mit NS-Raubkunst, Raubkunst aus kolonialem Kontext oder Raubgrabungen auszuschliessen. Eine möglichst lückenlose Provenienzkette eines Kunstobjektes ist daher ebenso wichtig wie eine möglichst genaue Datierung und Zuschreibung.

 

Team 

Provenienzforschung im Antikenmuseum Basel ist eine kollektive Arbeit, die zu den prioritären Aufgaben der Direktion und der Kurator/-innen gehört. Das Team setzt sich wie folgt zusammen:

Zuständig für das vom Bundesamt für Kultur und vom Kanton Basel-Stadt finanzierte Forschungsprojekt «Untersuchung der Erwerbungen der Jahre 1990 bis 2012 für die Klassische Abteilung»:

Provenienzforschung im Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig

Die Provenienzforschung im Antikenmuseum Basel befasst sich mit der Herkunft archäologischer Kulturgüter aus dem gesamten Mittelmeerraum. Ziel ist die Rekonstruktion der Geschichte der Objekte im Sammlungsbestand. Damit verbunden ist der verantwortungsvolle Umgang mit Neuzugängen und Leihgaben sowie mit möglichen Restitutionsbegehren. In diesem Zusammenhang wurden die Archive des Museums zentralisiert und neu strukturiert, wobei auch deren Digitalisierung vorangetrieben wird.

Das Antikenmuseum versteht die Provenienzforschung als Ausdruck seines Kultur- und Bildungsauftrages, kulturelle Werke nicht nur zu sammeln, zu bewahren, wissenschaftlich zu erforschen und zu dokumentieren, sondern auch deren Herkunft durch die Eruierung von Provenienzketten (z.B. Besitzer/-innen, Handel, Publikationen etc.) möglichst vollständig zu erschliessen. Dabei stehen nicht nur die Objekte und ihre Urheber/-innen im Fokus des Interesses, sondern auch die unterschiedlichen Akteure wie Archäologen/-innen, Händler/-innen, Sammler/-innen und Kunsthistoriker/-innen.

Darüber hinaus werden die Kulturgüter in ihren historischen Fund- und Sammlungskontext gestellt und alle Umstände wie z.B. kriegerische Auseinandersetzungen (z.B. NS-Raubkunst), Imperialismus, Kolonialismus und die Umstände der Beschaffung in den Quellenländern (Raubgrabungen) berücksichtigt und entsprechende Schlussfolgerungen im Einklang mit den geltenden Gesetzen und Konventionen gezogen.    

Sammlungskonzept
Ankaufspolitik seit 2013
Museumstrategie zur Provenienzforschung
Ampelsystem zur Provenienzbeurteilung

Gesetzliche Grundlagen, Konventionen und Richtlinien für den Transfer von Kulturgütern

Es gibt verschiedene internationale und nationale Rechtsgrundlagen und Konventionen zum Kulturgütertransfer. Am bekanntesten ist die UNESCO-Konvention von 1970, deren Ziel es ist, das kulturelle Erbe der Menschheit zu schützen und illegalen Kulturgütertransfer zu verhindern. Die Konvention gilt weder rückwirkend, noch ist sie rechtlich bindend. Die Schweiz hat die UNESCO-Konvention erst 1985 ratifiziert. Ihre Bestimmungen wurden mit dem Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer (SR 444.1; KGTG) per 1. Januar 2006 in Kraft gesetzt. Die UNESCO-Konvention gilt daher in der Schweiz erst ab diesem Zeitpunkt und nicht rückwirkend.

Das daraus entstandene Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz, KGTG) regelt die Einfuhr von Kulturgütern in die Schweiz, ihre Durch- und Ausfuhr sowie - in gewissen Fällen - ihre Rückführung aus der Schweiz.

Seit das KGTG in Kraft getreten ist, hat die Schweiz mit verschiedenen Herkunftsländern zusätzlich bilaterale Abkommen abgeschlossen. Dazu gehören beispielsweise Italien (2008), Griechenland (2011), Ägypten (2011), Zypern (2014) und die Türkei (2023). Nur Länder mit einer bilateraler Vereinbarung können die Rückführung von Kulturgütern beantragen, die nach Abschluss der Vereinbarung eingeführt wurden.

Daneben gibt es narrative Normen, die sich insbesondere mit Kulturgütern befassen, die im Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus entzogen wurden und deren Rückgabe regeln. Dazu gehören der ICOM Code of Ethics (2017), die Washington Principles (1998) und die Terezin-Declaration (2009). Sie sind nicht verbindlich, haben aber soziale und moralische-ethische Bedeutung für die Museen.     

Forschungsprojekt finanziert durch das Bundesamt für Kultur und den Kanton Basel-Stadt

Untersuchung der in den Jahren 1990 bis 2012 für die klassische Abteilung akquirierten Objekte

Das Projekt hat zum Ziel, die Provenienzen der zwischen 1990 und 2012 angekauften oder dem Museum von Privatsammler/-innen und Mäzen(inn)en geschenkten Werke der klassischen Abteilung (griechisch-römische Epoche) zu erforschen und die Provenienzketten nach Möglichkeit zu vervollständigen. Die Ergebnisse werden nach Abschluss des Projektes per Ende September 2024 an dieser Stelle und auf der Website des BAK publiziert.

Für die Projektleitung hat das Antikenmuseum Basel für die Jahre 2023/2024 eine befristete externe Stelle geschaffen. Diese wird durch das Bundesamt für Kultur («Provenienzforschung/archäologische Objekte» für die Förderperiode 2023–2024) und den Kanton Basel-Stadt finanziert.

Detaillierter Projektbeschrieb 

Abgeschlossene Projekte

Projekt «101 Meisterwerke»

101 Meisterwerke aus der Sammlung des Antikenmuseums Basel und Sammlung Ludwig und der Skulpturhalle Basel wurden im Rahmen einer gleichnamigen Publikation auf ihre Herkunft hin untersucht. Dabei wurden die Provenienzketten so weit wie möglich rekonstruiert. Zudem wurden die Werke mit zeitgemässen und ansprechenden Texten und Bildern versehen. Das Projekt wurde 2022 abgeschlossen und die Werke publiziert und online gestellt.

Zur Sammlung Online

Medienberichte

Hier finden Sie eine Auswahl von Medienberichten zur Provenienzforschung (ab dem Jahr 2013), in denen das Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig erwähnt wird.

Bericht BAZ vom 16.9.2022

Bericht BZ vom 16.9.2022

Prüfung und Annahme von Schenkungen

Gemäss Vorgaben des Präsidialdepartementes müssen Schenkungen und Legate (testamentarische Vermächtnisse) ganzer Sammlungen vor der rechtsgültigen Annahme durch den Kanton auf ihre Herkunft überprüft werden. Die Ergebnisse der Provenienzforschung werden hier laufend publiziert.

Zurzeit werden folgende Sammlungen geprüft:

Sammlung Dr. Dr. h.c. Gerhard Schomburg (1929–2020), Mülheim an der Ruhr
Sammlung Margarethe und Dr. Rudolf Gsell-Busse (1891–1962), Riehen
Sammlung José-Robert Maier (1921–1994), Basel
Sammlung Franz Hesemann (1864–1921), Neuss

Sammlung Dr. Dr. h.c. Gerhard Schomburg, Mülheim an der Ruhr (1929–2020)

Testamentarische Schenkung Dr. Dr. h.c. Gerhard Schomburg

Gerhard Schomburg arbeitete fast 40 Jahre lang am Max-Planck-Institut für Kohlenforschung in Mülheim an der Ruhr (Analytische Chemie). Nach seiner Pensionierung entwickelte er sich zu einem leidenschaftlichen Kunstsammler und Connaisseur. Seine Sammlung umfasste antike Werke aller Mittelmeerkulturen, aber auch Werke aus Afrika und Asien sowie zeitgenössische Kunst. Die archäologischen Werke trug er zwischen 1995 und 2004 zusammen.

Seit November 2014 stand Dr. Schomburg in Kontakt mit dem Antikenmuseum. Im Jahr 2016 hat er sich entschlossen, seine gesamte Antikensammlung dem Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig sowie die zeitgenössischen Werke dem Basler Kunstmuseum testamentarisch zu vermachen.

Aus dem Legat Schomburg werden zurzeit 27 Objekte geprüft. 

Sammlung Margarethe und Rudolf Gsell-Busse (1891–1962)

Schenkung Carl Andrea Schlettwein und Pierrette Schlettwein

Die Sammlung Dr. Rudolf Emil Gsell-Busse (1891–1962) gelangte sukzessive als Leihgabe ins Antikenmuseum Basel, zuerst 1965/66, dann 1984/1986. Der Grund für den etappenweisen Eingang sind zwei Erbschaften. Die Sammlung Gsell umfasst insgesamt 60 Werke griechischer und römischer Kunst aus dem gesamten Mittelmeerraum. Die Sammlung setzt sich aus Vasen und Skulpturen sowie aus Bronzen zusammen. Die Objekte wurden nach Angaben der Erben in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg bis zum Tod des Sammlers 1962 überwiegend in der Schweiz bzw. in Basel erworben.

Herr Gsell war studierter Jurist und später Generaldirektor der Firma Hoffmann-La Roche. Er war mit der Ärztin Dr. Margarethe Busse (1890–1983) verheiratet, die sich ebenfalls für griechische Kunst und Kultur begeisterte.

Nach dem Tod von Rudolf und Margarethe Gsell-Busse ging die Sammlung in den Besitz ihrer Tochter Daniela Schlettwein-Gsell über. Dr. med. Daniela Schlettwein-Gsell (1930–2022) war in der Ernährungsforschung und Gerontologie tätig und mit Dr. h.c. Carl Schlettwein (1925–2005) verheiratet. Er war Ökonom, Buchliebhaber, Sammler und Gründer der Basler Afrika Bibliographien.1994 gründeten sie die Carl Schlettwein Stiftung, die heute die Basler Afrika Bibliographien betreibt.

Nach dem Tod von Daniela Schlettwein-Gsell übernahm ihre Tochter Eleonore Pierrette Schlettwein die Sammlung ihrer Grosseltern, um sie nun dem Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig als Schenkung definitiv zu überlassen. 

Geprüft wurden 60 Objekte, die sich seit 1965/66 und 1984/1986 als Dauerleihgaben im Museum befinden. Im Grunde handelt es sich um eine Teilprüfung der eigenen Sammlung zwischen 1965 und 1986.

Hier können Sie die Sammlung Gsell-Busse online einsehen.

Ansicht der Sammlung Gsell-Busse in Dokumentform (PDF)

Sammlung José-Robert Maier (1921–1994)

Schenkung Patricia Maier, Basel

José-Robert Maier wurde in Magdeburg geboren und kam 1926 als Kind nach Basel, wo seine Eltern Max und Berthe Maier-Lévi eingebürgert wurden. Robert Maier war selbständiger Kaufmann in Basel und übernahm die Firma Depro (Immobilien, Finanzen und chemische Stoffe). Eigentlich wollte er Archäologie studieren, doch dazu kam es leider nicht. So beschäftigte er sich später als Hobby mit der Antike und sammelte griechische Vasen, insgesamt 12 Exemplare, die er alle um 1970 in der Schweiz bzw. in Basel erworben hatte. Er war verheiratet mit Huguette Strauss aus Strassburg. Aus der Ehe ging die Tochter Patricia Maier hervor, die nun die Sammlung ihres Vaters dem Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig schenken möchte.

Geprüft werden 12 Objekte, die sich seit 2013 als Leihgaben im Antikenmuseum Basel befinden. Hier handelt es sich um eine weitere Teilprüfung der eigenen Sammlung in Ergänzung zum Forschungsprojekt des Bundesamtes für Kultur und des Kantons Basel-Stadt.

Halsamphora des Rote-Linie-Malers
Attisch-schwarzfigurige Halsamphora; Werkstatt der E-Gruppe
Attisch-schwarzfigurige Oinochoe
Korinthische Oinochoe
Attisch-rotfigurige Lekanis
Attisch-rotfigurige Lekanis
Attisch-schwarzfigurige Augenschale
Etrusko-korinthische Olpe
Attisch-rotfiguriger Kelchkrater
Attisch-weissgrundige Lekythos
Attisch-schwarzfigurige Lekythos. Klasse von Athen 581.i
Attisch-schwarzfigurige Halsamphora

Sammlung Franz Hesemann (1864–1921)  

Schenkung Martina Wohlthat, Basel 

Franz Hesemann, geboren in Neuss am Rhein, war Kaufmann und lebte zeitweise in Berlin. Nach dem Tod seines Vaters 1897 kehrte er nach Neuss zurück und übernahm die Firma Franz Hesemann Wwe, eine Ölsaaten-Agentur, die die örtlichen Ölmühlen mit Rohstoffen versorgte.

Franz Hesemann war gebildet, sprachgewandt, kunstsinnig und Mitglied einer Freimaurerloge. Er sammelte griechische und römische Gemmen (darunter auch Stücke aus dem 18. und 19. Jahrhundert) sowie ägyptische Amulette und Totenfiguren.

Franz Hesemann war mit Margerethe «Gretel» Hofmann verheiratet, mit der er zwei Kinder hatte: Claire (*1893) und Max (*1891), der 1916 an der Schlacht an der Somme fiel. Mit seiner Tochter unternahm er viele Städtereisen, u.a. nach Paris, Brüssel und Antwerpen, wo er seine Sammlungsstücke erwarb. Claire heiratete 1919 Helmuth Wohlthat. Nach Kriegsende trat Helmuth Wohltat in die Firma seines Schwiegervaters ein. Die Ehe von Claire und Helmuth Wohlthat wurde später geschieden.

Die Antikensammlung von Franz Hesemann gelangte über den Sohn von Claire und Helmuth Wohlthat, Harald (*1927), als Erbe an seine Tochter Martina Wohlthat (*1960). Diese entschied sich im Dezember 2022, die kleine Studiensammlung dem Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig als Schenkung zu überlassen.   

Geprüft werden 55 Objekte. Bei der Studiensammlung mit Gemmen und Amuletten handelt es sich um eine bisher unbekannte Sammlung, die vor über 100 Jahren in Deutschland angelegt wurde und über verschiedene Erbgänge nach Basel gelangte.